17.01.2004

 

       Aus unserer Reihe:     "Zurücktreten, Renate !!"

      Zwischen Konvention und Ökologie

      Der kurze Traum von der Agrarwende

      Nach Jahren zweistelliger Zuwächse kämpfen nun auch Bio-Höfe mit Problemen

      Von Michael Bauchmüller (Süddeutsche Zeitung 17.1.04)

       


      Drei Jahre ist es her, da gab eine ehrgeizige Ministerin die Devise von der „Agrarwende“ aus. Eine ganze Grüne Woche lang ging es um die Landwirtschaft der Zukunft, die natürlich ökologisch sein musste: mit glücklichen Kühen auf endlosen Weiden, Obst und Gemüse, die im Wesentlichen mit Sonne, Luft und Wasser sprießen, schließlich mit Millionen Verbrauchern, denen nichts so wichtig ist wie eine naturnahe Ernährung. Bis 2010, so forderte die neue Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) damals, solle auf jedem fünften Hektar Ökolandbau betrieben werden. Der Gegenentwurf zur konventionellen Landwirtschaft war die Regierungs-Antwort auf die Rinderseuche BSE.


      Drei Jahre später bleibt den meisten Ökobauern nur die Erinnerung an eine bessere Zeit. „Es geht uns nicht besonders gut“, sagt Thomas Dosch, Chef des größten deutschen Anbauverbandes Bioland. „Über viele Jahre hatten wir zweistellige Zuwachsraten“, sagt Dosch, „jetzt spüren wir, dass es so wohl nicht weitergehen wird.“ Um rund sieben Prozent hat bei Bioland im vergangenen Jahr die Zahl der Betriebe zugenommen. Das ist immerhin noch ein Plus, aber es ist lange nicht mehr so viel, wie für die Erfüllung der ministerialen 20-Prozent-Öko-Forderung nötig wäre. Stattdessen dümpelt der Ökolandbau bei etwas mehr als vier Prozent der gesamten Agrarfläche dahin – mehr als sechs Prozent Öko sind beim derzeitigen Wachstum bis 2010 wohl nicht drin. Und während früher noch zumindest in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand, mindestens die ferne Zukunft gehöre den Biohöfen, ist es zuletzt deutlich ruhiger geworden.


      „Wir leiden unter denselben Problemen wie die konventionellen Landwirte“, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Die Leute gehen in den Discount-Markt und wollen sparen.“ Auch bei den Öko-Bauern sind die Umsätze im vergangenen Jahr gesunken. Ausgerechnet das Biosiegel, mit dem Künast ursprünglich den ökologischen Landbau salonfähig machen wollte, gilt vielen Bauern als Bedrohung. Zwar wurden die Bioprodukte salonfähig – sie finden sich mittlerweile im Naturkostladen genauso wie bei Aldi – doch auf die Herkunft der Produkte nimmt das Biosiegel keine Rücksicht mehr.


      Abkehr vom Ursprung

      Öko-Fundamentalisten sehen darin eine Abkehr von der Ursprungsidee. Während der gesundheitliche Vorteil ökologischer Lebensmittel gegenüber konventionell hergestellten sich kaum nachweisen lässt, liegt der Umwelt-Vorteil auf der Hand: Der ökologische Landbau belastet Böden und Gewässer weniger stark als der herkömmliche. „Wir müssen den Verbrauchern stärker klar machen, dass der Ökolandbau ihnen die meisten Vorteile bringt, wenn sie regionale Produkte einkaufen“, sagt BÖLW-Vorstand Löwenstein. Dies aber ist in den Hintergrund gerückt: Mit dem Verkauf in immer größeren Märkten werden die Öko-Produkte auch aus immer größeren Entfernungen herangeschleppt. Und während die Ökobauern Umsatzeinbußen beklagen, verzeichnet der Biohandel wachsende Einnahmen: Auf 1,1 Prozent schätzt der Bundesverband Naturkost Naturwaren sein Umsatzplus im vergangenen Jahr.

       

      Die deutschen Anbauverbände sind kaum in der Lage, wieder an das alte Wachstum anzuknüpfen. Zersplittert in acht Einzelverbände, verwirren sie mit eigenen Siegeln und Marken die Verbraucher, obwohl dahinter im Wesentlichen dieselben Standards stehen. Hinzu kommen die Eigenmarken, unter denen die großen Handelsketten ihre Öko-Produkte verkaufen. Immer wieder gab es Pläne, die verschiedenen Verbände zu wenigen zu fusionieren, um gemeinsam mehr Gewicht zu erlangen. Geschehen ist nur wenig, zu groß sind die Eitelkeiten und Vorbehalte innerhalb der Öko-Szene. Gleichzeitig verlieren die Verbände immer mehr Landwirte, die sich allein mit dem Biosiegel begnügen: Sie wirtschaften zwar weiter ökologisch, wollen aber nicht mehr in einem Ökoverband organisiert sein. Schließlich ersparen sie sich damit nicht nur die Beiträge, sondern auch manche aufwändige Kontrolle.


      Mehr und mehr verwischen derweil die Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft: Auch der Bauernverband führt die „Nachhaltigkeit“ in jeder öffentlichen Erklärung im Munde, streicht die Naturnähe seiner Produkte heraus. Skandale hat es seit BSE nicht mehr gegeben. Dafür aber viele Initiativen, über verschärfte Kontrollen die Nahrung sicherer zu machen.

       

      Hofnachfolger fehlen

      Wettbewerb, Globalisierung, nachlassendes öffentliches Interesse – der Traum von der konsequenten Agrarwende währte nur kurz. Mittlerweile stehen auch Deutschlands Öko-Bauern vor Problemen wie Hofnachfolge und Betriebssterben, fallenden Preisen und Einkünften. Zwar stellen immer noch Betriebe von konventionellem auf ökologischen Landbau um. Doch zugleich geben andere auf, weil sie niemanden gefunden haben, der ihren Hof hätte übernehmen können. „So langsam merken wir, dass jetzt auch bei uns der Strukturwandel zuschlägt“, sagt Bioland-Chef Thomas Dosch. „Das macht uns nicht glücklich.“