FREMDE FEDERN:


aus Novo-Magazin:

Wie man Hühnern den Hals rumdreht

Mick Hume erinnert sich an einen Ferienjob als Hühner-Henker. Eine Geschichte aus einer Zeit, in der Tiere noch keine Rechte hatten.

Der Aufseher wies uns drei Ferienjobber an, einen Schuppen leer zu räumen. "Und was machen wir mit den Hühnern in dem Schuppen?" wollten wir wissen. "Abmurksen", sagte er. "Alle 200?" "Jau." "Und wie?" "Per Hand." "Na gut," meinten wir, "mal ein bisschen Abwechslung vom Schafemelken und Kuhscheißeschippen."
Wir wurden in seltsame grüne Regenmäntel und dazu passende, breitkrempige Plastikhüte gesteckt und von einem der Landarbeiter zu dem Schuppen gefahren. Drinnen zeigte er uns mit einigem Vergnügen, wie man Hühnern den Hals umdreht. Dann überließ er uns den Schuppen und die Hühner.

Die Schnellvorführung hatte getrogen. Ohne Übung ließen sich die Hühner nicht im Halsumdrehen terminieren. Wrang man den Hühnerhals zu lasch, sprang das Huhn vom Haufen toter Hühner wieder auf und rannte mit verdrehtem Hals schielend durch den Schuppen davon. Kurbelte man zu heftig am Hühnernacken, wurde schnell klar, warum man uns in Regenmäntel gesteckt hatte. Dann nämlich ploppte der Kopf ab, und in der Hand hielt man eine Art Hühnerpistole, die stoßweise Blut spuckte.
Im Handumdrehen war der Schuppen ein Wirbel aus Federn, Fäkalien, Staub und Blut. Wir wurden ziemlich übermütig, gackerten, hüpften umher und beschossen uns aus unseren Hühnerpistolen. Die noch lebenden Hühner nahmen unterdessen Anteil an ihren dahingegangenen Artgenossen, indem sie ihnen eine Henkersmahlzeit aus den Rippen pickten.

Das war vor 20 Jahren, als noch niemand von BSE oder von Tierrechten gehört hatte. Auch von artgerechter Nutztierhaltung war seinerzeit nicht die Rede, und ein Hühnerstall war ein Hühnerstall - und nicht etwa ein Hühner-KZ. 1980 interessierte uns das alles nicht. Wir wollten schnell ein wenig Geld verdienen und dann ab in den Urlaub nach Griechenland.
Wie sehr sich die Welt seitdem geändert hat, fiel mir auf, als ich kürzlich in den Nachrichten einen Beitrag über die Lage der britischen Hühner sah. Tierschützer wiesen darauf hin, dass "die Leiden britischer Hühner zu wenig wahr- und zu wenig ernst genommen" würden. Besorgt zeigte man sich auch über ein Syndrom, den "plötzlichen Hühnertod" - einen Sachverhalt, den man vordem im Hühnergeschäft für völlig normal gehalten hatte.
Solche Nachrichten zeigen, dass das Wohl von Nutztieren heute ernst genommen wird. Die EU hat kürzlich in einer Richtlinie "verbesserte Käfige" und andere Maßnahmen zum Wohle der Hühner vorgeschrieben. Die britische Regierung sorgt sich zudem um das Wohlergehen von Nutztieren bei der Schlachtung. Gerade unter jungen Menschen findet die Forderung nach mehr "Rechten für Tiere" auffallend viel Sympathie.

Vor langer, langer Zeit, im Jahre 1980, sah die Welt sehr anders aus. Sicher, Tierzucht und Bauernhöfe sind nie das bevorzugte Habitat der Zartbesaiteten gewesen. Mir ging es wie den anderen Ferienjobbern. Anfangs sahen wir in den Tieren noch niedliche Wesen. Aber das ging sehr schnell vorbei. Die dreckigen Hühner waren am schlimmsten, aber der Rest war auch nicht viel besser. Auf denjenigen, der ihren Dreck wegputzen muss, wirken auch Zicklein nicht niedlich.
Für die Landarbeiter waren die Tiere allesamt niedrige, dumme Kreaturen, Kroppzeug mit den gleichen Rechten wie der Zaunpfahl, an dem es sich schabte. Diese Haltung beruhte nicht etwa auf Dummheit, Dünkel oder menschlicher Überheblichkeit, sondern war das nahe liegende Ergebnis praktischer Erfahrung. Die mit Abstand mächtigsten Tiere auf dem Bauernhof waren die Bullen - Eindruck gebietende Riesen, aber dabei so dumm, dass man sie, ging es darum, künstliche Befruchtungen vorzubereiten, allein dadurch erregen konnte, dass man ein rostiges Wasserfass in ihre Nähe rollte.
Vielleicht ist meine Einstellung zu Tieren durch diesen Ferienjob vor 20 Jahren auf immer verdorben worden. Möglich wäre es, dass mich der Massenmord im Hühnerstall Tieren gegenüber gefühllos gemacht hat - wer weiß? Die wirklich entscheidende Veränderung aber hat allmählich im Laufe der letzten 20 Jahre stattgefunden; sie hat unser Verhältnis zu Tieren sehr verändert.

Die hohe Wertschätzung, die Tiere heute genießen, ist die Kehrseite einer weitverbreiteten, geringen Meinung vom Menschen - und das gilt speziell dann, wenn es um menschliche Eingriffe in das alt-neue Heiligtum "Natur" geht. In die Natur einzugreifen ist aber nun einmal die Hauptbeschäftigung jedes Bauern. In dem Maße, wie sich die Stellung von Mensch und Tier in unserer Wahrnehmung aneinander angenähert hat, sind wir auch dazu übergegangen, Tieren Rechte zu verleihen. Menschen werden umgekehrt immer häufiger als unmündige, unverständige Kreaturen behandelt und in einer Vielzahl auch alltäglicher Situationen immer häufiger - zu ihrem eigenen Besten natürlich - bevormundet.
Heute, zwanzig Jahre danach und da mir häufig immer noch das Geld für Reisen fehlt, frage ich mich, ob seinerzeit, als mir befohlen wurde, einen Regenmantel anzuziehen und Hühner zu töten, nicht meine Menschenrechte verletzt wurden? Weiter frage ich mich, ob meine hierauf zu gründenden Schadenersatzforderungen womöglich schon verjährt sind? Immerhin glaube ich beinahe, dass ich bis auf den heutigen Tag, seelisch versehrt durch die damaligen Ereignisse, an einem post-traumatischen Schocksyndrom leide. - Wie sich das äußert, wollen Sie wissen? Jedes Mal, wenn ich Hühnerfrikassee esse, scheint mir, zuckt mein Hals.

Aus dem Englischen übersetzt von Bernd Herrmann.


Mick Hume ist Chefredakteur des Online-Magazins spiked und Kolumnist der britischen Tageszeitung The Times. Der vorliegende Artikel ist am 19.8.2000 unter dem Titel "Headless Chickens" in der britischen Zeitung The Spectator erschienen.

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aus fritzwitz.de:

Der Umbau der Landwirtschaft ...(2oo1)
ist in voller Planung - das hatten die prostestierenden Bauern auf dem Bauerntag in Münster noch garnicht kapiert. Das geht unsere Frau Künast ganz locker an - die macht sich doch über die Bauern lustig weil sie in jedem Fall die Gewinnerin ist. Frau Künast hat den Kanzler im Rücken und somit die Mittel, die Landwirtschaft frosch- und gänseblümchengerecht umzugestalten - und kein Bauernhaus soll mehr ohne Storch auf - und Schwalbe unter dem Dach sein.
Wer mitmacht, bekommt ein Öko-Siegel inkl. warmen Händedruck und wer nicht mitmacht, landet auf der Miste. Dieses Schauspiel muß den Verbrauchern doch 2o-3o% Preisauftrieb wert sein - denn sowas wird weltweit nur in Deutschland geboten.

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aus bmp.de/eulenspiegel/0103/a1.shtml:

Berlin. Landwirtschaftsministerin Künast hat bestätigt, daß die Regierung gegenwärtig über Alternativen zu dem nahezu kompletten Aufkauf des Rinderangebots durch den Staat nachdenkt. Erwogen werde eine Lösung im Rahmen der Rentenreform: das Rindfleisch-Abo als Altersvorsorge.

 


aus novo-magazin.de

Fleisch essen statt Tiere schlachten

 Die Gentechnik könnte in Zukunft überraschende Unterstützung durch Tier- und Naturschützer erfahren. Dirk Maxeiner vom Nutzen der Gen-Bulette.

Als 1867 in Paris das erste zentrale Schlachthaus in Europa eröffnet wurde, erfreute sich das Schlachten am laufenden Band breiter Zustimmung. Aus der neuen Verbindung von Mechanisierung und Tod ging die Fleischindustrie hervor. Gelehrte wie Justus von Liebig propagierten "proteinhaltige Lebensmittel für die Massen". Sozialaktivisten, darunter Friedrich Engels, forderten eine "Demokratisierung des Fleischverzehrs".
Die Schlachtrufe der Sozialrevolutionäre wurden gründlich befolgt: Im Lauf seines Lebens verputzt ein Nordamerikaner heute das Fleisch von 13 Rindern. Auch die übrige Welt drängt an die Gulaschkanone. Ein Erdenbürger gönnt sich heute im Durchschnitt ein Drittel mehr Fleisch als noch im Jahre 1970. Selbst die Chinesen fallen von der Sojasprosse ab und verlangen mehr als ein Fettauge auf der Suppe. So gewährte die Weltbank dem Land gerade einen 100-Millionen-Dollar-Kredit für neue Fleisch- und Futterfabriken.

Wie so oft nimmt der Fortschritt ironische Wendungen. Die wünschenswerte Demokratisierung eines Privilegs beendete die Mangelernährung der Massen, bescherte dem Stoffwechsel reichlich Cholesterin und besorgte die Umverteilung der Herz-Kreislauferkrankungen auch auf die sozial Schwachen. Dies sind jedoch bei weitem nicht die einzigen Kolateralschäden der gewonnenen Proteinschlacht.
Die globale Zahl der Nutztiere hat inzwischen die 20-Milliarden-Grenze überschritten - eine tierische Bevölkerungsexplosion. Über 1,3 Milliarden Rinder, fast eine Milliarde Schweine, 1,8 Milliarden Schafe und Ziegen sowie 13 Milliarden Hühner leben heute auf dem Planeten. Nicht die Ernährung der Menschenmassen ist mittlerweile das große Problem, sondern die ihrer Nutztiere. Dies, weil die Massentierhaltung eine gigantische Kalorienvernichtung darstellt: Besteht das Viehfutter aus Getreide, so werden beispielsweise für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch bis zu neun Kilo Getreide verfressen. Um das Gewicht der planetaren Rinderschar aufzuwiegen, müssten mindestens 15 Milliarden Menschen in die Waagschale steigen. Wer von anderen "weniger Kinder" fordert, sollte erst mal den Stall ausmisten. Wo bleibt eigentlich die Geburtenkontrolle für Rinder?

"Wir können den Planet der Rinder zu einem Planet der Menschen machen", sagt der Münchner Evolutionsbiologe Professor Josef H. Reichholf, "mit menschenwürdigen Lebensbedingungen und einem guten Miteinander von Mensch und Natur." Gerade die Wiederkäuer haben sich zum großen Konkurrenten für wilde Tiere, Blumenwiesen und Wälder entwickelt. Die Landwirtschaft bedroht die natürlichen Artenvielfalt, Industrie und Verkehr spielen eine untergeordnete Rolle. Während die Siedlungsfläche 0,5 Prozent der Kontinente ausmacht, werden etwa 40 Prozent der eisfreien Fläche des Planeten landwirtschaftlich genutzt - und davon zwei Drittel als Weideland. Obendrein landen 40 Prozent der Getreideernte und 20 Prozent des Fischfanges nicht als Lebensmittel auf dem Tisch, sondern als Futtermittel im Trog.

Gibt es irgendwo Licht am Ende des Massenstalls? Erste Gesetze zur artgerechten Tierhaltung lassen auf eine bessere Behandlung der Tiere hoffen. Wer vom Biobauern erzeugtes Fleisch kauft, fördert eine naturverträglichere Landwirtschaft. Doch der Biometzger kann angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, die partout nicht zum Vegetarier werden will, nicht die einzige Alternative sein. Eine über sechs Milliarden hinauswachsende Menschheit wird auch technologische Durchbrüche brauchen, um umweltverträglich zu produzieren und zu konsumieren. Es muss daher die grundsätzliche Frage gestattet sein: Ist die Produktion von Fleisch wirklich zu stark industrialisiert? Oder liegt das Problem - ganz im Gegenteil - darin, dass sie zu wenig industrialisiert und technisiert ist?

Produktionstechnisch betrachtet ist das Nutztier von Pflanzen gespeicherte und für den Verzehr umgewandelte Sonnenenergie. Ein großer Teil davon wird allerdings - denkbar uneffizient - nicht in Fleisch, sondern in tierische Abwärme sowie in problematische Stoffe wie Methangas und Gülle verwandelt. Die Emissionen entweichen ungefiltert in die Atmosphäre und Millionen Tonnen schadstoffhaltiger Rückstände werden in Form von Fäkalien einfach auf die Felder gekippt. Was wäre, wenn ein Chemiekonzern sich Derartiges leisten würde? Richtig: Greenpeace säße auf dem Schornstein und die Manager hinter Gittern.
Die heutige Form der Fleischproduktion ist auf dem Stand der frühen Fabrikationen stehen geblieben, die mit ihren Schloten und Abwässern hemmungslos Wälder und Flüsse ruinierte. Und sie könnte genauso verschwinden wie beispielsweise der Pferdetransport. "
Theoretisch ist es nicht notwendig, Tiere zu halten, um Fleisch zu produzieren", schreibt der amerikanische Umweltjournalist Gregg Easterbrook. Agronomen und Biotechniker suchen nach Verfahren, das Tier in unserer Nahrungskette zu überspringen. In Holland, so berichtet das Europäische Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften, wurde sogar schon ein Patent angemeldet, um Fleisch in Zellkulturen zu erzeugen. Das Endprodukt wäre vollwertiges Fleisch, allerdings würden die Zellen keinen Umweg mehr über ein lebendes und leidendes Tier nehmen.

Aus solchen und ähnlichen Entwicklungen könnten neue Allianzen entstehen: Tierfreunde und Naturschützer dürften sich dem Gedanken öffnen, dass der Fleischhunger der Menschheit nicht mit noch mehr Tierleid und Umweltzerstörung erkauft werden muss. Das vermeintlich "Künstliche" könnte sich einmal mehr als Rettung für das "Natürliche" erweisen. Die heutige Form der Fleischerzeugung ist möglicherweise nur ein vorübergehendes Stadium einer Entwicklung, die vor 10.000 Jahren mit der Domestizierung der Nutztiere begann und im neuen Jahrtausend in die Domestizierung des Fleisches mündet.
Eine Lösung gleichsam durch die kalte Genküche? Labors statt Rinder als Fleischproduzenten? Bis zur technischen Machbarkeit dürfte noch so manches schmutzige Schnitzel verzehrt werden. Und bis zur gesellschaftlichen Akzeptanz steht ein schwieriger Verdauungsprozess bevor. Während ein Vegetarier sich dem Schulterklopfen progressiver Kreise sicher sein darf, steht ein Wissenschaftler oder Lebensmitteltechniker mit dem gleichen Ansatz sofort unter Generalverdacht: Stoppt Dr. Frankenstein!

Dies mag eine bizarre Farce aus dem Jahr 1995 illustrieren. Die EU wollte in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, geringe Mengen Soja in der Wurst erlauben. Doch eine große Koalition aus Bauern, Fleischern, Verbraucherschützern und Feinschmeckern schrie auf: Von "Manipulationen" und "Imitaten" war die Rede. Anstatt Soja direkt in die Wurst zu befördern, bestand man darauf, dass deren Einarbeitung auf dem Umweg über das geschundene Tier erfolgen müsse - also unter Vernichtung von Ressourcen und Hinterlassung von Fäkalien und Arzneimittelrückständen. Nur dies verdiene das Prädikat "echte deutsche Wurst". Das Landwirtschaftsministerium assistierte: Würde nur ein Prozent des Fleischanteils in der deutschen Wurst durch Sojastärke ersetzt, dann blieben jährlich 150.000 Schweine und 13.000 Rinder unverkauft. Welch grausamer Gedanke!

Inzwischen darf in der Wurst etwas Soja drin sein und niemand redet mehr darüber. Eines Tages könnte die menschliche Spezies zum De-facto-Vegetarier werden, nicht aufgrund einer ethischen Philosophie, sondern durch Steaks und Schinken, die nichts mehr mit Tieren zu tun haben. Der Gedanke an Millionen Mitgeschöpfe, die in Schlachthäusern getötet werden, wird künftigen Generationen vielleicht genauso fern erscheinen wie einer heutigen Hausfrau der Gedanke an ein lebendiges Huhn, dem sie in ihrer Designerküche den Kopf abhackt. Die Zivilisierung des Menschen tendiert längst dahin, erkennbare Züge geschlachteter Kreaturen zu verbergen. Den vorläufigen Endstand markiert der Hamburger. Weder sieht er aus wie Fleisch noch verrät sein Name diesen Ursprung. Dennoch lieben unsere Kinder BigMacs. Sollte irgendwann kein Fleisch vom lebenden Rind mehr drin sein, wird dies ihre Begeisterung kaum schmälern. Es wäre ein kleiner Schritt für die Bulette und ein großer für die Menschheit.
Dann lässt sich trefflich darüber streiten, wer kulturell höherwertig isst: Der Gourmet, den es nach "natürlichen" Stubenküken und Milchlämmern gelüstet, oder der Technovegetarier, der zum
tierfreien Steak greift. Der Zukunftsforscher Matthias Horx mutmaßt gar: "Es wird geheime Restaurants geben, in denen man geschlachtete Tiere essen kann - zu horrenden Preisen, manchmal mit Ekelgefühlen, aber welch ein verbotener Genuss!"


Dirk Maxeiner ist freier Autor und hat gemeinsam mit Michael Miersch mehrere Bestseller im Bereich Umwelt, Natur, Wissenschaft verfasst. Von beiden ist soeben erschienen: Das Mephisto-Prinzip. Warum es besser ist, nicht gut zu sein (s.Anzeige). In Novo48 war von ihm zuletzt der Artikel "Ein Lob der Faulheit" zu lesen
 

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Als Realsatire vorgestellt:

Bio-vegane Landbautage in Kassel

Ökologische Landwirtschaft ohne Tiere

Die Universität Kassel mit ihrem Standort in Witzenhausen ist Deutschlands einzige Hochschule, die den Studiengang »Ökologische Landwirtschaft« als Vollstudiengang anbietet. Doch den Studierenden Sandra Campe, Jörg Zimmermann und Matthias Henneberger ist nicht nur eine ökologische Landwirtschaft und Lebensweise wichtig. Sie interessieren sich für den tierfreien Öko-Landbau - und organisierten daher vom 7. bis 11. Januar 2002 in Witzenhausen die »Bio-veganen Landbautage« mit Vorträgen und Workshops. tierrechte wollte mehr dazu wissen und bat sie um einen Bericht über diese Veranstaltung.

Der Begriff »bio-vegan« verbindet die positiven Aspekte der Ökologischen Landwirtschaft, wie z. B. den Verzicht auf chemisch-synthetische Zusatzstoffe und die Förderung der Artenvielfalt, mit der Ethik der veganen Lebensweise. Für viele Vertreter der Öko-Landwirtschaft gehört jedoch die Tierhaltung zum Betriebskreislauf dazu; diesen in unseren Augen negativen Ansatz wollten wir in Zeiten der vielbeschworenen »Agrarwende« zur Diskussion stellen.

Während der Woche wurde thematisiert, inwieweit Tierhaltung nachhaltig und ethisch vertretbar ist. Kurzfristig gesehen stellt die »artgerechte Tierhaltung«, wie sie die Öko-Landwirtschaft propagiert, sicherlich eine Verbesserung der Haltungsbedingungen dar. Andere Probleme, die mit der Nutzung von Tieren einhergehen, kann aber auch die ökologische Tierhaltung nicht lösen. Kritikpunkte waren und sind z. B. die Unnötigkeit tierlicher Nahrungsmittel für die menschliche Ernährung, der enorme Flächenverbrauch, die Verschwendung pflanzlicher Nahrung und nicht zu vergessen die milliardenfache, sinnlose Vernichtung sowohl tierlichen als auch pflanzlichen Lebens.

Einen guten Einstieg in die Grundlagen und das ganzheitliche Ethikverständnis der bio-veganen Wirtschaftsweise bot der Vortrag von Ronny Wytek, dem Mitbegründer des Bio-veganen Netzwerkes in Österreich (BioVegaN). Vor zweieinhalb Jahren wurde dieses Netzwerk in Zusammenarbeit mit dem britischen Vegan Organic Network (VON) ins Leben gerufen. VON existiert bereits seit 1996. Beide Netzwerke haben die Verbindung von Nachhaltigkeit und Friedfertigkeit zum Ziel und akzeptieren das Recht der Tiere auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit.

Im weiteren Verlauf der Woche wurde von langjährigen Praktikern eindrucks-voll gezeigt, wie Ökologischer Landbau erfolgreich betrieben werden kann, ohne von der Tierhaltung und dem Input der »Nebenprodukte« (Mist, Blut- und Knochenmehl etc.) abhängig zu sein. Jakobus Langerhorst, ursprünglich ausgebildeter Demeter-Landwirt aus Österreich, schilderte sehr anschaulich, wie er und seine Familie seit 28 Jahren Gemüse, Nüsse und Obst, wie z. B. Äpfel und Kiwis, rein pflanzlich anbauen. Der Agrarwissenschaftler und Landwirt Dr. Ulrich Hagmeier berichtete über seine 20jährige Erfahrung, die er im viehlosen ökologischen Getreideanbau in Süddeutschland gesammelt hat. Sein Betrieb umfasst 80 Hektar.

Neben den Vorträgen fanden auch Workshops statt. Der Vergleich von bio-veganem mit ökologischem Landbau sowie mit Permakultur (einem ganzheitlichen Weg, nachhaltige Lebensräume und Systeme in der Stadt und auf dem Land zu entwerfen, aufzubauen und zu unterstützen) unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit war Thema des gleichnamigen Workshops. Im Workshop »Tierrechte« wurde lebhaft über die Frage diskutiert, warum Menschen angesichts des unendlichen Tierleids immer noch Fleisch essen.

Sandra Campe, Matthias Henneberger, Jörg Zimmermann

c/o Universität Kassel/Witzenhausen
aus:
http://tierrechte.de/infodienst/infodienst_02_01_teil3.shtml

Kommentar bauernweisheiten.de:

Auf unserem Ackerbau-Betrieb werden seit über 40 Jahren völlig vieh- und güllefrei Getreide und Zuckerrüben erzeugt. Der Humusgehalt der Böden ist hervorragend und der N-Gehalt des Bodens und der Pflanzen wurde schon zu Zeiten eigenverantwortlich untersucht, als die deutsche Bevölkerung ihre ersten Mopeds und Autos noch überm Gulli wusch. Die Erträge belaufen sich auf über 90 dt Weizen/ha  und 100 dt Zucker/ha. Umweltschäden verursachen wir, wenn überhaupt, nur solange, bis die Wissenschaft sie erkennt und wir sie durch Anpassung unserer Wirtschaftsweise vermeiden können. Unsere Böden sind seit 700 Jahren als Existenzgrundlage im Familienbesitz und wurden immer ertragreicher. Wir brauchen keine selbsternannten Naturschützer mit romantisch-metaphysischen Ideologien, um nachhaltig zu wirtschaften. Wer ernsthaft wissen will, was Nachhaltigkeit ist, der sollte sich mal mit Agrarsoziologie und dem Bauernstand befassen. Im übrigen essen wir Fleisch, das unsere tierhaltenden Berufskollegen in gleich verantwortungsvoller Weise erzeugen.


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