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    Die Globalisierung der BSE-Krise: Experten warnen davor, Europas Probleme in der Landwirtschaft auf andere Staaten abzuwälzen

    Von Kirstin Wenk

    Berlin - Der Rinderwahnsinn tauchte zwar bislang nur in Europa auf, doch die BSE-Krise bereitet auch außereuropäischen Ländern große Probleme. Das meinen jedenfalls Organisationen, die bereits seit Jahrzehnten für eine umweltfreundliche Landwirtschaft kämpfen. «Der Trend zur guten Qualität kommt einher in unverblümt deutschtümlerischem Gewand», kritisiert etwa Rudolf Buntzel-Cano vom Evangelischen Entwicklungsdienst. «Unsere Handelspartner sollen durch diskriminierende Praktiken für die BSE-Krise, an der sie unschuldig sind, zahlen.»

    Der Landwirtschaftsexperte führt mehrere Punkte an, die seiner Ansicht nach die Agrarwende, so wie sie beabsichtigt ist, inakzeptabel macht. Im Mittelpunkt steht dabei, dass viele Länder außerhalb Europas Brüssels neue Standards bei den BSE-Tests nicht erfüllen können und deshalb mit Einfuhrverboten bestraft werden - auch wenn bei ihnen BSE praktisch ausgeschlossen werden kann, weil ihre Rinder ein Leben lang nur auf der Weide standen.

    Vom 1. Oktober 2000 an schreibt die EU vor, dass alle Risikomaterialien, wie Rückenmark, bei Rindern, Schafen und Ziegen entfernt werden müssen. Seit Anfang dieses Jahres sollen alle Rinder, die älter als 30 Monate und für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, auf BSE getestet werden. Zudem ist die Verfütterung von Tiermehl nun für alle Tiere verboten, für Wiederkäuer war es das bereits seit 1994. Deutschland will zudem mit einer Agrarwende die industrialisierte Landwirtschaft von Grund auf reformieren. Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) strebt eine naturverträgliche Produktionsweise sowie regionale Kreisläufe an. Die Richtlinie «DDD» wird mit 120 Millionen Mark gefördert. Das Kürzel zeichnet Fleischprodukten steht dafür aus, dass ein Rind in Deutschland geboren, gemästet und geschlachtet worden ist.

    Ein BSE-Test kostet etwa hundert Mark und erhöht den Preis eines Rindes um 17 Prozent. Die hochsubventionierten Höfe in der EU können damit leben, arme Länder, wo oftmals noch Hirten ein persönliches Verhältnis zum Tier pflegen, dagegen nicht. Auch für die Bauern der EU-Beitrittskandidaten, wie Polen oder Ungarn, werden die höheren Kosten zur Hürde, um auf den EU-Markt zu gelangen. Schließlich erhöhen auch die Entfernung des Risikomaterials und das Verbot von Tiermehl, das bislang als wichtige Eiweißquelle diente, die Kosten. Tiermehl muss nun durch Getreide ersetzt werden.

    Anfang April legte die EU-Kommission in Brüssel einen Katalog vor, der Drittländer in Risikogruppen einteilt. In Staaten der Gruppe eins ist das BSE-Risiko sehr unwahrscheinlich (etwa Argentinien, Australien, Botswana, Brasilien, Norwegen). In Ländern der Gruppe zwei kann ein BSE-Risiko nicht vollständig ausgeschlossen werden, weil diese Staaten einmal kleine Mengen an möglicherweise BSE-infiziertem Tiermehl importierten (beispielsweise Kanada, Indien, USA). In Staaten der Kategorie drei besteht ein BSE-Risiko, zum Teil wurden schon BSE-Fälle bestätigt (Tschechien, Polen, Slowakei, die Schweiz). Unabhängig von der Gruppe müssen alle Länder die neuen EU-Anforderungen erfüllen, wollen sie hierher importieren.

    «Entwicklungspolitisch stellt sich die Frage, wer eigentlich für die riesigen Kosten aufkommt, die diesen Ländern durch die EU-Anforderungen aufgebürdet werden», sagt Buntzel-Cano. Zeichen wie «DDD» würden zudem psychologische Handelshemmnisse beim Verbraucher aufbauen. Deutsch heißt nicht unbedingt umweltfreundlich, und ausländisch heißt nicht unbedingt ungesund, meint der Entwicklungs-Experte. Das zeigen schließlich Öko-Tees, Gewürze und andere exotische Bioprodukte. Buntzel-Cano sieht bereits einen neuen Konflikt in der Welthandelsorganisation aufkommen, da viele Staaten die in der EU subventionierte Umweltmaßnahmen als Protektionismus verstehen. Daher könne der Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft nur global erfolgen.

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