bauernweisheiten.de   07.02.2002

    Nachhaltigkeit: Heute über das Morgen entscheiden !

    Der Begriff Nachhaltigkeit beherrscht die Agrardebatte. Seit den Agenda 21 Beschlüssen von Rio de Janeiro im Jahre 1992, die die Unterzeichnerstaaten zur Nachhaltigkeit verpflichten, wächst weltweit der Druck auf Wissenschaft und Forschung, messbare Grenzwerte für die gesetzliche Umsetzung der Verpflichtung festzuschreiben.

     Wer glaubt, in den Agenda-Verhandlungen ginge es nur um die hehre Sache, der irrt: Letztlich geht es um Geld, Arbeitsplätze und Marktanteile. Die Verpflichtungen und deren Einhaltung beeinflussen Handelsströme und Marktzugänge, entscheiden langfristig über Wohl und Wehe der regionalen Landwirtschaften und nationale Selbstversorgungsgrade. Bei falscher Weichenstellung sind sogar Arbeitsplätze in bestehenden Produktionssystemen gefährdet ohne entsprechenden Ersatz in Aussicht zu haben.

    Jährlich erscheinen 3000 bis 4000 Arbeiten zu der Frage, was ist Nachhaltigkeit und kann man -und wenn wie- diese messen? Am Beispiel Landnutzung/Landwirtschaft wird die Komplexität des Vorhabens deutlich: Unter vielen anderen gilt es z.B. Teilaspekte zu bedenken wie die ethische Komponente, die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, sozioökonomische Belange, Ressourcenschutz, Erhaltung einer zieldefinierten biologischen Vielfalt usw.

    Die OECD z.B. hat rd. 40 Indikatoren für Nachhaltigkeit benannt, davon allein rd. 20 für Landwirtschaft. Eine Auswahl derartiger Indikatoren muss sehr gewissenhaft erfolgen. Schließlich müssen die Wechselwirkungen der ausgewählten Indikatoren untereinander bewertet werden und das System in allen Ländern vergleichbar sein.

    Eine seriöse Auseinandersetzung hält sich an die Vorgabe der Agenda 21, nach der die drei Bereiche Ökologisches, Soziales und Ökonomisches als gleichwertige Ziele in der Abwägung von Einzelmaßnahmen zu berücksichtigen sind.

    Unsere Bundesregierung jedoch geht einen vereinfachten Weg: Statt ernsthaft zu forschen und abzuwägen, wird gleichgesetzt: Nachhaltigkeit = ökologischer Landbau

    Das ist nicht sachgerecht. So wie der integrierte Landbau nicht vollkommen ist so ist auch der organische Landbau nicht in der Lage, standortangepasste Nachhaltigkeit zu sichern. Pauschallösungen gibt es hier nicht.

    Auch das neue Naturschutzgesetz ist von dem unseligen Geist geprägt, landnutzende Bürger mittels Gesetzen zu einer Übernahme vereinfachender ideologischer Glaubensgrundsätze zu zwingen, die längst nicht alle wissenschaftlich nachweisbar, sozial ausgewogen und wirtschaftlich vertretbar sind.

    Deutlich wird das auch in der Vorbereitung der Agenda 21 Nachfolgekonferenz in Johannesburg durch die Bundesregierung: Eine Staatssekretärs-Arbeitsgruppe (das Ergebnis der extra mit Fachleuten besetzten Nachhaltigkeitskommision findet -weil abweichend- keine Berücksichtigung) hat festgelegt, dass der global anzuwendende Indikator  für die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft der prozentuale Anteil der Ökolandwirtschaft sei. Die Entwicklungsländer protestieren schärfstens gegen dieses Vorhaben, für sie ist dies reine Protektion im grüne Mäntelchen um unseren gesättigten Markt abzuschotten. Da unser Markt aber so gesättigt ist, dass wir ein Viertel unserer Produktion exportieren, würde ohne Not in Kauf genommen, dass die deutsche Landwirtschaft sich vom Export gängiger weil hochwertiger Agrarprodukte auf den Weltmarkt ausklinkt und diesen anderen Ländern überlässt. Die Mehrzahl dieser denkt gar nicht daran, sich an die deutsche Heilslehre zu halten.

    Global denken - lokal handeln ist das Motto der Agenda 21.

    Deshalb veröffentlicht bauernweisheiten.de Meinungen von Wissenschaftlern, die zumindest bedenkenswert sind.

    Lassen wir uns nicht irreführen von aus populistischen Motiven ausschließlich dem Naturschutz verpflichteten Berufspolitikern. Gegen den Zeitgeist hilft nur eigene Meinungsbildung !

    Web Tip :    Uni Halle

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    Presseerklärung des Z.A.L.F, Müncheberg

                                                    16. Januar 2002

    Prof. Dr. Hubert Wiggering, Direktor des ZALF Müncheberg:

    Wende in der Agrarpolitik: Im Ansatz stecken geblieben?

    Das ZALF positioniert sich

    BSE, MKS ..... die Probleme wurden hochgeschwemmt, die politischen Zwänge nach Veränderungen waren unabdingbar. Ansätze zu einer Neuausrichtung der Agrarpolitik waren anfangs unverkennbar. Zukunftsorientierte Land- bzw. Raumnutzungsstrategien fanden aber nicht wirklich Zugang zu einer politischen wie auch öffentlichen Diskussion. Genügt es wirklich eine stärker ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft und einen vorsorgenden Verbraucherschutz zu fordern oder muss diese Diskussion nicht wesentlich breiter ansetzen?

    Insbesondere sind die langfristig anzustrebenden Ziele in einen gesellschaftlichen Prozess hineinzugeben, damit gleichermaßen Interessen der Landwirte als auch die Anforderungen der Verbraucher gewahrt bleiben. Ein solches Vorgehen, ein solcher Umbruch erfordert seine Zeit - gleichwohl muss er jetzt eingeleitet werden.

    Was wir brauchen, ist eine ehrliche, transparente Diskussion um langfristige Zielvorgaben, eine Diskussion, die partizipativ gesellschaftliche Akzeptanz und Mitverantwortung erzeugt und nicht auf Lagerkämpfe zwischen Bauernverband und einigen Landwirtschaftsministern beschränkt bleibt.

    Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft bedeutet gleichermaßen eine standortgerechte Landnutzung und eine verbrauchergerechte Produktion. Allerdings ist keineswegs geklärt, welche Nutzung standortgerecht ist. Eine Agrarpolitik, die diesem Anspruch gerecht wird, muss eine landwirtschaftliche Nutzung und die Entwicklung einer ökologisch wertvollen Landschaft miteinander verbinden.

    Naturschutzinteressen müssen nicht an der Intervention der Landwirtschaft scheitern. Auch muss dabei die Landwirtschaft nicht der Verlierer sein. Vielmehr können sich daraus neue Produktions- und Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der traditionellen Nahrungsmittelproduktion ergeben. Ein Ansatz für eine solche multifunktionale Nutzung der Landschaft ist die Honorierung ökologischer Leistungen (Internalisierung positiver Umwelteffekte der Agrarproduktion) und die Schaffung von Möglichkeiten für Erwerbskombinationen im Rahmen einer aktiven Strukturpolitik für den ländlichen Raum. Eine zukunftsorientierte Landwirtschaft kann je nach Standort zahlreiche ökologische Leistungen erbringen, wie etwa die Erhaltung der Vielfalt von Flora und Fauna, die Sicherung und Entwicklung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit der (insbesondere historischen) Kulturlandschaften, die Sicherung der Erholungs- und Erlebnisfunktion der Landschaft, die Gewährleistung der Schutz-, Filter-, Retentions- und Reinigungsfunktionen von Wasser, Boden und Luft, des weiteren die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Wasserhaushalts, insbesondere hinsichtlich der Grundwasserneubildung, des Oberflächenabflusses und der Wasserqualität, ebenso wie die klimatischer Ausgleich, der Erosionsschutz durch Grünlandbewirtschaftung oder Bewaldung sowie die CO2-Senkenfunktion durch Anreicherung organischer Substanz und Biomassezuwachs. Dies aber sind honorierungswürdige Leistungen, die entgolten werden müssen.

    Fällt die Entscheidung für mehr marktwirtschaftliche Elemente und weniger Marktintervention in der zukünftigen Agrarwirtschaft, so müssen Maßnahmen diese Handlungsfelder flankieren, um die Wirkung der markt­wirtschaftlichen Instrumente voll zur Geltung zu bringen und den initiierten ökologisch ausgerichteten Strukturwandel sozial abzusichern. Gerade bei der derzeitigen Verunsicherung ist eine Intensivierung und Verbesserung von Information, Beratung und Aufklärung so­wohl auf der Seite der Landwirte als auch auf der Seite der Verbraucher vonnöten.

    Verstärkt werden muss zudem eine gezielte, an ökologischen Kriterien ausgerichtete Investitions- und Forschungs­förderung zur beschleunigten Einführung von Innovationen und für den Ausbau der Umweltbeobachtung zur Erfolgskontrolle der eingesetzten Instrumente. Besonders wesentlich ist aber die Sicherung von Mindesteinkommen und sozialer Infrastruktur in ländlichen Räumen durch die Agrarsozialpolitik.

    Um die positiven externen Umwelteffekte ländlicher Räume zu internalisieren, wäre also eine Honorierung ökologischer Leistungen für private Entscheidungsträger erforderlich. Kriterien zur Abgrenzung von Leistungen, die als herkömmliche Leistung erwartet werden können, und solchen Leistungen, die einer Honorierung bedürfen, sind in einem gesamtgesellschaftlichen Konsens zu entwickeln.

    Das bestehende Fördersystem für Umweltleistungen, welches bisher handlungsorientiert (aufwands- und entschädigungsbezogen) ausgerichtet ist, muss also zukünftig ergebnisbezogen organisiert werden. Durch eine zielorientierte Entlohnung wird das Interesse des Anbieters am ökologischen Erfolg geweckt.

    Die Finanzierung der ökologischen Leistungen ist beispielsweise  durch Umwidmung der Mittel des EU-Agrarhaushaltes sicherzustellen. Zudem ist langfristig ein kombiniertes System von Umweltabgaben und -transferzahlungen zu etablieren, das den Vorstellungen einer ökologisch orientierten Marktwirtschaft entspricht.

    Angesichts der Vorschläge zu einem auf dauerhaft umweltgerechte Landnutzung ausgerichteten Instrumentarium stellt sich die Frage, welche Bedeutung und Gestalt die "klassischen" Instrumente und Maßnahmen der Raumordnungs- und Naturschutzpolitik - insbesondere die Raum- und Landschaftsplanung -, der regionalen Wirtschaftspolitik und EU-Strukturpolitik sowie der Agrarpolitik künftig haben sollten. Der Bedarf an Maßnahmen in den klassischen Politikbereichen wird um so geringer, je konsequenter und umfassender eine rahmensetzende, stärker marktwirtschaftlich orientierte Politik, ergänzt um ein durchgängiges System der sozialen Absicherung und eine Reform von Steuern und Subventionen, verwirklicht wird. Wenn allerdings nur Teile davon und diese nur in zögerlicher Form eingeführt werden, bleibt auch weiterhin ein hoher Regelungsbedarf im Sinne der klassischen Instrumente bestehen.

    Allerdings muss betont werden, dass natürlich nicht alles schlecht ist an den bisherigen Produktionsverfahren in der Landwirtschaft. Es wurden und werden sehr wohl hohe Qualitätsansprüche gestellt und vielfach diesen auch genügt. Dieses gilt es als Stärke der Landwirtschaft zu betonen.

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